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„Volles Haus“ in der Katholischen Öffentlichen Bücherei in Siersburg
St. Martin.
Fotos: Hans Georg Schneider |
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Saarländischer Preis: Die Katholische Öffentliche Bücherei in
Siersburg hat in der Kategorie „Ehrenamtlich geleitete Bücherei“
gewonnen. |
„Ganz normal“ heißt in Siersburg „buchverrückt“
Die preisgekrönte Katholische Öffentliche Bücherei der Pfarrei St. Martin
„verführt“ schon die Kleinen zum Lesen
Von Hans Georg Schneider
„Wir sind verrückt“, sagt Margret Stöhr. Schmunzelnd blickt sie in die Runde:
Was sie sieht sind Bücher, ein riesiger Raum voll Lesestoff in Regalen, auf
Tischen und in Kisten. Dazwischen viele kleine, größere und große Menschen. Wir
sind in der Katholischen Öffentlichen Bücherei in Siersburg St. Martin. Es ist
Mittwochnachmittag, und die Bücherei im ersten Stock des Pfarrheims, ganz in der
Nähe der Kirche gelegen, hat „ganz normal“ geöffnet.
Und „ganz normal“ heißt hier: Schlange stehen bei der Ausleihe. Und es heißt in
einer „normalen“ saarländischen Wohngemeinde außerdem, ein komplettes
großstädtisches Buchangebot vorzufinden; und es heißt schließlich auch, ein
zehnköpfiges Team von Lektüre-Beraterinnen und -Beratern fragen zu können – was
längst aber alles andere als „normal“ ist. Verrückt eben.
Weit mehr als nur eine Gelegenheit zur Buchausleihe
„Aber es ist unsere Leidenschaft“, sagt Margret Stöhr und meint damit das,
was sie gemeinsam mit fünf Frauen, zwei Jugendlichen und zwei Männern aus der
Pfarrgemeinde in den letzten Jahren aufgebaut hat. Nicht mehr und nicht weniger
als eine offensichtlich gern besuchte und benutzte Bücherei. Und eine
Schmökerspielwiese, eine andauernde Animation zum Lesen, eine Verführung zur
Literatur für Groß und Klein. Die Siersburger Bücherei habe sich „fast zu einem
sozialen Zentrum entwickelt“, lobte der Vorsitzende der Jury für den Preis
„Kinder- und jugendfreundlichste Bibliothek des Saarlands“.
Keine Frage: Wer hierher kommt, der erlebt ein soziales Zentrum, das weit mehr
bietet als die Gelegenheit zur Ausleihe von Büchern und anderen Medien. Kein
Wunder, dass die Katholische Öffentliche Bücherei in Siersburg in diesem Jahr
den saarländischen Preis in der Kategorie „Ehrenamtlich geleitete Büchereien“
gewonnen hat. Übrigens war in den bisher drei Wettbewerben zum dritten Mal eine
Katholische Öffentliche Bücherei vorn. Davor waren es Bliesransbach und Losheim
am See. Kultusminister Jürgen Schreier gratulierte und freute sich über die in
den KÖBs organisierte Leseförderung als konkreten Beitrag gegen Entwicklungen,
wie sie unter dem Stichwort „Pisa“ dokumentiert wurden.
Um Kinder möglichst früh in Kontakt mit guten Büchern zu bringen, setzt das Team
der Siersburger Bibliothek auf enge Zusammenarbeit mit den Kindergärten und
Schulen. Zwei Frauen aus dem Team leiten gleichzeitig Spielkreise, die
Zusammenarbeit mit der Grundschule „funktioniert prächtig“, sagen Margret Stöhr,
Carina Müller und Annemarie Klein. Um Schwellenangst gar nicht erst entstehen zu
lassen, gibt es zum Beispiel regelmäßige Klassenführungen durch die Bücherei,
einen Bibelkoffer, Bücherkisten für die Klassen sowie
Schulanfänger-Werbeaktionen.
Rund 50 Prozent aller Medien sind für junge Nutzer bestimmt
Im vergangenen Jahr waren es über 40 Veranstaltungen, die das „verrückte“
Team aus Siersburg anbot, darunter 33 Projekte für Kinder und Jugendliche. Die
Jugendlichen sitzen im Übrigen auch mitten im Büchereiteam. So tut der
15-jährige Johannes Berrens aus der Leitung der mehr als hundertköpfigen
Messdienerschaft ebenso an der Ausleihe Dienst wie seine erwachsenen
Kolleginnen. Comics und Fantasy sind seine Favoriten – klar, dass es auch die in
der Bücherei gibt. Klar auch, dass Johannes dafür sorgt, dass das jeder aus
seinem Freundeskreis weiß. Rund 50 Prozent aller Ausleih-Medien sind derzeit für
Kinder und Jugendliche eingestellt. Für immer wieder neue Angebote bei den
insgesamt 3 200 Büchern, CDs und Kassetten sorgt das Team mit Hilfe der
Borromäus-Ergänzungsbücherei und mit Angeboten des Staatlichen Büchereiamts.
Am „Bücherei-Sonntag“ dreht sich alles ums Buch und um das Lesen
Höhepunkt der Aktionen zur Leseförderung ist nach Auskunft von KÖB-Leiterin
Stöhr jeweils der „Bücherei-Sonntag“ Anfang November (siehe Infokasten rechts
oben). Einen ganzen Tag lang gehe es dann in der Pfarrgemeinde „vom
Familiengottesdienst bis zum Flohmarkt“ ums Buch und ums Lesen. Überhaupt fühle
man sich von Seiten der Pfarrgemeinde sehr gut unterstützt – vom
Gemeindereferenten Ralf Selzer, der für die Büchereiarbeit zuständig ist, bis zu
Pfarrer Albert Dörrenbächer. „Das Schönste, was wir unseren jungen Leuten
mitgeben können, ist sie zum Lesen zu begeistern“, sagt Margret Stöhr und meint,
das sei schon den „Wahnsinn“ wert, den man für diese Aufgabe an Zeit investiere.
Die Arbeit mache aber vor allem Spaß. Deshalb sei die gewonnene Auszeichnung des
Landes zwar eine tolle Sache, noch wichtiger aber sei, dass das Engagement allen
im Team „selbst etwas bringt“.
Vivienne und Lisa, beide zehn Jahre alt, waren neben fast 20 Gleichaltrigen im
Sommer bei der Lesenacht für 10- bis 14-Jährige im Pfarrheim mit dabei. „Das
Stöbern durch die Regale ist wunderbar“, „man wird toll bedient“ und „die
Margret ist ganz nett“, sagen die beiden, drehen sich im Schlafsack noch mal um
und blättern in ihren Büchern weiter.